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Regierungschef Erdogan (r.) mit seinem Vize Babacan.

Foto: REUTERS/Osman Orsal

New York und die UNO lässt er diese Woche fallen. Tayyip Erdogan hat Wichtigeres zu tun: den Parteitag am kommenden Sonntag vorbereiten. Es wird das entscheidendste Treffen der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung in ihrer gerade einmal elf Jahre alten Geschichte sein. Erdogan muss die Weichen für die Zukunft seiner Partei stellen. Während er ins Präsidentenamt wechseln wird, müssen die meisten seiner Gefolgsleute die nationale Bühne räumen. Ein Statut der Partei verbietet mehr als drei aufeinander folgende Mandate im Parlament. 73 AKP-Politiker – Erdogan eingeschlossen – wird diese Regel treffen, so hat Hürriyet-Kolumnist Hüseyin Yayman dankenswerter Weise aufgelistet. Darunter sind schon einmal 16 Minister nebst Erdogan und so wichtige Abgeordnete wie der stellvertretender Parteivorsitzende Hüseyin Celik oder Parlamentspräsident Cemil Cicek.

Erdogan wird am Sonntag noch einmal als Parteivorsitzender kandidieren und natürlich gewählt werden. Die AKP und ihr Boss haben dann knapp zwei Jahre Zeit - bis zur Präsidentenwahl 2014 - um den politischen Übergang zu arrangieren. Im Parteirat, dem größeren Führungsgremium mit dem Kürzel MKYK, hat Erdogan schon einmal einen Fragebogen ausgeteilt, auf dem die 50 Mitglieder ebenso viele neue Namen von Politikern aufschreiben sollten, die sie in den nächsten Jahren auf Posten sehen wollen - auch Politiker außerhalb der AKP und populäre Figuren in der türkischen Gesellschaft.

Der mutmaßlich wichtigste Neuzugang ist am Wochenende geregelt worden. Erdogan begrüßte Numan Kurtulmus in der AKP. Der angesehen islamistische Politiker hatte vergangene Woche seine Kleinpartei HAS aufgelöst. Kurtulmus soll der AKP weitere Wähler aus dem konservativ-religiösen Milieu zuführen, die Partei und Regierung aber auch etwas nach links verschieben und freundlicher für Arbeitnehmer machen.

Kurtulmus gilt als denkbarer Regierungs- und Parteichef für die Zeit nach Erdogan. Bis zu den nächsten Parlamentswahlen 2015 könnte aber noch ein Minister aus der bisherigen Riege zum Zug kommen: Ahmet Davutoglu, der Außenminister, der erst einmal als Abgeordneter gewählt worden ist, oder Wirtschaftsminister und Vizepremier Ali Babacan, der als politisch geschickter gilt. Er fällt allerdings auch unter die Drei-Mandate-Regel der AKP. 2015 muss er weg aus Parlament und Regierung.

Politische Beobachter in der Türkei glauben deshalb an eine größere Rochade, die alle wichtigen ausscheidenden AKP-Politiker halbwegs zufrieden stellen soll: ein paar Jahre al Bürgermeister einer türkischen Großstadt. Babacan könnte in Ankara kandidieren, Europaminister Egemen Bagis in Istanbul, Verkehrsminister Binali Yildirim in Izmir. Derzeitige, als erfolgreich geltende AKP-Bürgermeister wie Kadir Topbas (Istanbul) oder Mehmet Özhaseki (Kayseri) werden ins Parlament und dann vielleicht in die Regierung geschoben. (Markus Bey, derStandard.at, 23.9.2012)